Der Erholungshauspark mit Mädchenwohnheim und Wöchnerinnenheim
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Der Erholungshauspark
1895, als Bayer an den Rhein zog, lebten ca. 2.500 Menschen in Wiesdorf. Zehn Jahre später, also nach der Errichtung der ersten Kolonie-Gebäude, zählte die Gemeinde über 10.000 Einwohner. Die von 1900 bis 1916 errichtete Kolonie Anna im Gartenstadtstil war der Beginn der Wiesdorfer Stadtentwicklung. Wir erschließen auf unserem Spaziergang diese wichtige Wiesdorfer Siedlung quasi von hinten
Als die Kolonie II errichtet wurde, wurde eine multifunktionale Freifläche, d. h. das Gelände des heutigen Erholungsparks ausgespart. Auf diesem Gelände spielten Jugendliche, es wurde Sport getrieben und die Spieler des Verein Bayer 04 kickten hier in der Gründungshase. Die Spieler zogen in das Gelände an der Dhünn um und die Fläche wurde ab 1905 in einen Park umgestaltet, dessen Bäume zum Teil schon über 100 Jahre alt sind. Parks waren der Ort, wo gut angezogene Familien sonntags spazieren gingen. Angelegte Wege sorgten dafür, dass die Sonntagskleidung und das gute Schuhwerk nicht übermäßig verschmutzt wurde. Sehen und gesehen werden, war die Devise dieser vergnüglichen Ausflüge in der knapp bemessenen Freizeit.
Hübsch angelegte Parks waren in der Weimarer Republik ein Symbol der sozialen Wohlfahrt. Grün zeigte: In dieser Firma und an diesem Standort lebt man gut. Grün galt auch als Entschädigung für die Arbeit mit giftigen Substanzen in der Fabrik, Duisberg war ein in hohem Maße um „grünen Ausgleich“ bemühter Firmenpatriarch. 1912 wurden 26 ha Parkfläche in Wiesdorf von Gärtnern des Bayerwerks gepflegt! 285 Mitarbeiter arbeiteten bei den Gärtnern der Bayer AG. Inmitten des Parks standen die zwei „verschwundenen“ Häuser.
Verschwundene Gebäude im Erholungshauspark: Das Mädchenwohnheim und das Wöchnerinnenheim
Mädchen im Haushaltungsunterricht Arbeiterfrauen wurden mit einem Kochbuch im Erholungshaus unterrichtet
Ab 1904 wurde ein Mädchenwohnheim für alleinstehende junge Frauen, die über 1,5 Jahre für die Hauswirtschaft und Krankenpflege ausgebildet wurden, errichtet.
Es folgte 1906 der Bau eines Wöchnerinnenheims, in dem die Frauen der Bayermitarbeiter entbinden konnten. Beide Häuser sind durch einen Bombenangriff im Herbst 1944 zerstört worden, danach erhielt der Park die heutige Gestalt.
Das Wöchnerinnenheim und das Mädchenwohnheim kooperierten eng mit dem Orden der Cellitinnen, die das Krankenhaus St. Josef betrieben. Die Cellitinnen waren ein Kölner Frauenorden, der im Bereich der Pflege arbeitete.
Kochunterricht, Nähunterricht und 3 junge Bubikopf- Mädchen mit selbstgenähten Kleidern mit Mustern im Stil der 20er Jahre
Die Parkanlage wurde für sportliche Übungen genutzt.
Ausbildung junger Frauen für die Pflege und den Haushalt
Ab 1900 wurden von den Cellitinnen insbesondere in den prosperierenden Industriestädten Hospitäler errichtet und Pflegepersonal ausgebildet. Dies waren häufig junge Frauen, im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, aus ärmlichen Landstrichen der Eifel, die sich mit einem Köfferchen nach Köln aufmachten, um eine Stelle zu suchen. Ihre bitterarmen Familien konnten sie oft nicht ernähren. Nicht selten endete ihr Bemühen aus Not auf dem Straßenstrich des Kölner Eigelsteinviertels in einem noch größeren Elend.
Diesen Missständen versuchte die alte bürgerliche Frauenbewegung entgegenzusteuern, indem die Bahnhofsmission an den ankommenden Zügen aus den armen Regionen ablief, die jungen Frauen mit Köfferchen in Obhut nahm, und ihnen als Alternative eine Ausbildung in der Hauswirtschaft in einem Mädchenheim anbot. 33 % der jungen Frauen arbeiteten in der Kaiserzeit als Dienstbotinnen. Der Bedarf war im boomenden Wiesdorf groß. Die Akademikerfamilien der Chemiker und Ingenieure in der Beamten- und Eigenheimkolonie hatten in der Regel ein „Mädchen“, das bei der Hausarbeit half. Mit den Qualifikationen für eine geordneten Haushaltsführung z. B. Hygiene, Pflege, Hauswirtschaft, Zeiteinteilung, Vorratswirtschaft und Handarbeit wurden Basisqualifikationen vermittelt, die junge Frauen mit der Arbeit im Haushalt oder der Klinik vertraut machten.
Mit Hygieneregeln vertraute junge Frauen waren auch in der Pillenverpackung gut einsetzbar. Sie bewiesen hier eine hohe Fingerfertigkeit, die bei Männern öfters nicht gegeben war. Demzufolge kristallisierte sich bereits vor dem ersten Weltkrieg eine Struktur heraus, in der die Frauen zunächst eine Basisausbildung absolvierten in denen sie Regeln der geordneten Arbeit lernten, und zum Ende der Ausbildungszeit eine Spezialisierung hinzukam. In den letzten Kriegsjahren und in der Weimarer Republik bot man zusätzlich noch Schreibmaschinenkurse an, da der Bedarf an Tipperinnen im Werk sehr hoch war und manches junge Mädchen eine gute Auffassungsgabe zeigte, die sie in ihren ländlichen Heimatregionen nicht entwickeln konnte. Anreize zur Weiterbildung boten Kurse im Erholungshaus. Hinzu kamen Vorträge, Theaterstücke, die Ausleihe von Büchern oder Sport.
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Audio: Hauswirtschaftsausbildung |
Das Wöchnerinnenheim: ein rund um sorglos Paket für Frauen im Kindbett
Etwas später, im Jahr 1906 wurde das Wöchnerinnenheim im Park errichtet. Hier brachen die Frauen der Bayer Mitarbeiter ihre Kinder zur Welt. Sie wurden mindestens eine Woche versorgt und gepflegt, so dass sie in Ruhe zu Kräften kommen konnten. Während ihres Aufenthalts im Wöchnerinnenheim ging eine Ausbildungskandidatin in die Familie, erledigte den Haushalt und, versorgte die Kinder. Mit dieser Fürsorge wurde eine überaus komfortable Versorgung für die Wöchnerinnen geschaffen, die in Gesprächen mit alten Wiesdorfer:Innen immer wieder lobend erwähnt wird.
Der Vorstand des Frauenverein Farbenfabrik e. V., Säuglingspflegeunterricht
Aktivitäten des Frauenverein Farbenfabriken e.V.
Für die Wohlfahrtsversorgung der Frauen wurde 1904 der Frauenverein Farbenfabriken gegründet. Vorsitzende waren Anna Bayer und Johanna Duisberg. Zahlreiche Gattinen des gehobenen Bayer-Managements unterstützten gleichfalls die Aktivitäten. Ehrenamtliches Engagement gehörte damals zum guten Ton.
In den zwanziger Jahren wurde diese Wohlfahrtseinrichtung für Frauen von der Bayer Stiftung für Mütter, deren Männer im Krieg gefallen waren oder die als Invalide aus dem Krieg zurückkamen, ergänzt. Diese durch den Beruf und die Familienarbeit vielfältig belasteten Frauen konnten nun zu Kuraufenthalten nach Große Ledder fahren und sich in der Bergischen Frische bei Milchkuren erholen. Während ihrer Abwesenheit wurden die Kinder gleichfalls von den Ausbildungskandidatinnen betreut. Kinder belasteter Familien konnten Ende der zwanziger Jahre gleichfalls zu Milchkuren im Böttingerhaus nach Große Ledder fahren.
Effiziente und ergonomische Hausarbeit mit elektrischen Geräten wurde den jungen Frauen in der Haushaltsführungsliteratur nahe gelegt.
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